Wohnungspolitik NRW – Sozialverband VdK NRW
Barrierefreies Bauen umsetzen
Nach Berechnungen der Wohnungsmarktprognose bis 2040 fehlen derzeit rund 438.000 barrierefreie Wohnungen – und zusätzlich müssen bis 2040 672.320 weitere altersgerechte Wohnungen neu entstehen, um den Bedarf zu decken.[1] Weiter heißt es in dem Bericht: „Im Durchschnitt bedeutet dies eine zusätzliche jährliche Nachfrage nach altersgerechtem Wohnraum von rund 10.600 bis Anfang 2040. Die Herausforderung, altersgerechten Wohnraum bereitzustellen, betrifft grundsätzlich alle Regionen in Nordrhein-Westfalen, denn alle Kreise und kreisfreien Städte sind mit einer steigenden Zahl an Haushalten mit älteren Menschen konfrontiert.[2]“
Daraus wird deutlich: Wohnungen müssen in großem Stil barrierefrei neu gebaut und umgebaut werden. Da es deutlich einfacher und wirtschaftlicher ist, barrierefreies Wohnen im Neubau zu realisieren als im Wege des Umbaus, darf es bei Neubauten künftig keine Einschränkungen der Barrierefreiheit mehr geben. Im Hinblick auf die Baukosten macht Barrierefreiheit nur gut ein Prozent der Gesamtkosten aus.[3] Langfristig macht es sich für Nutzer wie Betreiber ohnehin bezahlt. Denn die durchschnittliche Nutzungsdauer von Wohngebäuden beträgt in Deutschland etwa 80 Jahre. Bauherren und Investoren sollten dabei neben der Rendite in den ersten zehn Jahren der Nutzungsdauer einer Immobilie immer auch den langfristigen Vorteil einer barrierefreien Konzeption bei der Bewirtschaftung berücksichtigen.
Daher fordern wir neben einem stetigen Ausbau der Förderangebote für Neu- und Bestandsbauten vor allem klare Vorgaben zum barrierefreien Wohnungsbau in der Bauordnung und den nachgelagerten Technischen Baubestimmungen. Alle neu zu errichtenden Wohnungen und Wohngebäude müssen barrierefrei sein. Barrierefreies Bauen muss das Kernziel aller wohnungspolitischen Programme und Maßnahmen für Neu- und Umbau sein. Im Rahmen der Kommunalen Daseinsvorsorge ist auch sicher zu stellen, dass bezahlbarer und barrierefreier Wohnraum nicht (nur) in Neubaugebieten in Randbezirken entsteht, sondern in gemischten Quartieren, die über die nötige Infrastruktur (z.B. barrierefreier Öffentlicher Personennahverkehr, Einkaufs- und Freizeitmöglichkeiten, Arztpraxen) verfügen.
Preisgebundenen und gemeinwohlorientierten Wohnungsbau vorantreiben
Darüber hinaus haben in vielen Kommunen über 50 Prozent der Haushalte einen Anspruch auf Wohnraumförderung. Der Bestand öffentlich geförderter Mietwohnungen ist entgegen des Bedarfs seit Jahren kontinuierlich gesunken. Dadurch verschärft sich die bestehende Versorgungslücke immer mehr zu einer echten Notlage, die bis hin zu Obdachlosigkeit führt.
Daher muss die Wohnraumförderung ausgebaut werden, damit eine dauerhafte gemeinwohlorientierte und preisgünstige Bewirtschaftung von Wohnungsbeständen möglich wird. Wir brauchen mehr öffentlich geförderten Wohnraum mit sozialer Zweckbindung. Wichtige Akteure dabei sind u.a. kommunale Wohnungsunternehmen, sofern vorhanden. Diese müssen finanziell gestärkt werden und bevorzugt Zugang zu Baugrundstücken erhalten. Kommunen, die nicht über Wohnungsunternehmen verfügen, müssen dabei unterstützt werden – ggf. im Zusammenwirken mit anderen Kommunen auf Kreisebene – Unternehmen zu gründen, Bauvorhaben durchzuführen und Wohnungen zu unterhalten. Jede Kommune sollte konkrete Zielvorgaben für den Bedarf an Sozialwohnungen formulieren und wenigstens die Abgänge an sozialgebundenen Wohnungen durch Neuerrichtung kompensieren. Vorhandene Baugrundstücke sollten für Zwecke des Sozialen Wohnungsbaus zu Vorzugspreisen an die Wohnungsunternehmen abgeben und dabei zuerst die Baugenossenschaften berücksichtigt werden. Um die Kommunen zu unterstützen sollte das Land ein zentrales Beratungs- und Unterstützungsangebot aufbauen.
Aktive Quartiersentwicklung – Kommunale Gesamtplanung erforderlich
Neben den reinen Baumaßnahmen halten wir eine aktive Quartiersentwicklung mit enger Verzahnung der Gesundheits- und Sozialdienste, der gesundheitlichen Grundversorgung, der Organisation und Vorhaltung von Pflegeangeboten für notwendig. Hier muss eine Gesamtplanung unter Einbeziehung aller Akteure erfolgen. Auch muss die Wohnungsbaupolitik gerade für ländliche Regionen stärker mit der Verkehrs- und Infrastrukturpolitik vernetzt werden, damit die Nutzbarkeit des ÖPNV (Nahverkehr) und von Einrichtungen der öffentlichen Daseinsvorsorge bis hin zur medizinischen Versorgung erleichtert werden.
„Bauen Bauen Bauen“ alleine reicht nicht!
Aus unserer Sicht darf sich eine an den Bedarfen der Menschen ausgerichtete Wohnungspolitik daher nicht darauf beschränken, möglichst viele neue Wohnungen zu errichten. „Bauen, Bauen, Bauen“ alleine ist nicht die Lösung. Nicht nur Masse, sondern Qualität ist entscheidend. Zur Qualität gehören für ältere Menschen sowie für Familien eine barrierefreie Bauweise, eine Einbindung ins Quartier sowie – für alle Bevölkerungsgruppen – die Bezahlbarkeit der Wohnangebote. Die wohnungsbaupolitischen Fehlentwicklungen der vergangenen Jahre und Jahrzehnte müssen korrigiert werden. Dazu gibt der Antrag „Ein Neustart in der Wohnungspolitik: NRW braucht gutes und bezahlbares Wohnen für alle Menschen!“ wichtige Impulse und Anregungen.
[1] MHKBG NRW, Wohnungsmarktgutachten über den quantitativen und qualitativen Wohnungsneubedarf in Nordrhein-Westfalen bis 2040 (Wohnungsmarktprognose 2040), S. 74.
[2] Wohnungsmarktprognose 2040, S. 74.
[3] “Barrierefreies Bauen im Kostenvergleich – Eine Analyse notwendiger Mehrausgaben gegenüber konventionellen Bauweisen” von TERRAGON WOHNBAU im Auftrag des Deutschen Städte- und Gemeindebundes vom 06.04.2017