„Wir dulden keine Nazis in unserer Polizei!“

Herr Präsident, 

meine Damen und Herren,

wir reden heute über Vertrauen. Über nichts anderes. Es geht um das Vertrauen in unsere Polizei und die Justiz. 

Und ich sage es direkt zu Beginn: Mein Vertrauen in unseren Rechtsstaat ist nicht erschüttert. Dass wir Demokraten heute im Parlament über diesen Fall diskutieren, beweist das.

Und ich weiß auch, dass viele Kolleginnen und Kollegen bei Polizei und Justiz heute ebenfalls diskutieren, dass so etwas nicht vorkommen darf. Uns schreiben heute viele aufrichtige Beamte, die sich Sorgen um das Ansehen aller rechtschaffenden Kolleginnen und Kollegen machen.

Das muss auch für uns alle unerträglich sein. Denn diese Beamte sind es, die jeden Tag in Problembezirken unseres Landes ihre Knochen hinhalten, beschimpft und angegriffen werden. Ihre Arbeit hat unsere Wertschätzung verdient.

Deswegen ist der Maßstab der SPD-Fraktion, dass wir politisch alles tun müssen, um den Beamten auf der Straße, die nichts mit solchen Vorwürfen zu tun haben, den Rücken zu stärken.

Und da haben wir gemeinsam noch sehr viel zu tun. Das erste und wichtigste ist, einen wirklichen Überblick zu bekommen, wie groß das Problem im ganzen Land ist.

Meine Damen und Herren, das ist unsere Aufgabe!

Nach den furchtbaren und menschenverachtenden Anschlägen eines Rechtsextremisten in Hanau im Februar dieses Jahres haben wir als SPD-Fraktion einen „Masterplan gegen Rechts“ vorgelegt und diesen auch als Antrag hier in den nordrhein-westfälischen Landtag eingebracht.

Anfang Oktober wird es dazu auch eine Sachverständigenanhörung im Hauptausschuss geben. Und – leider – muss ich heute feststellen, dass unser Antrag nichts, aber auch gar nichts an Aktualität verloren hat. 

Wir haben darin schon damals zahlreiche Maßnahmen aufgezeigt, wie rechtsextreme Einstellungen auch in der Polizei bekämpft werden können.

Ich zitiere beispielhaft aus dem Antrag:

  • Unsere Sicherheitsbehörden müssen für rechtsextreme Einstellungen und Taten stärker sensibilisiert werden, z.B. durch eine/n Antisemitismusbeauftragte/n und/oder Antirassismusbeauftragte/n beim Landeskriminalamt, die/der intern die Themen Aus- und Fortbildung vorantreibt.
  • Beim Landeskriminalamt ist nach dem Vorbild der Bundesländer Hessen und Berlin eine zentrale Stelle einzurichten, bei der rechte Vorfälle in Sicherheitsbehörden gemeldet werden.

Hier geht es doch nicht um politische Taktik.

Hier geht es um etwas ganz Fundamentales.

Nämlich um das Vertrauen in unseren Staat.

Da muss es doch vollkommen egal sein, von wem die beste Idee kommt.

Diesen Antrag haben wir vor über einem halben Jahr eingereicht.

Ich frage Sie, Herr Minister Reul:

Was hat Sie bisher davon abgehalten, sich mit diesen klugen Ideen mal auseinanderzusetzen?

Nach Ihren Interviews gestern frage ich mich schon, wie wir da zu einem richtigen Umgang finden, wenn Sie alle, die nicht Ihrer Meinung sind, als „Schlaumeier“ diskreditieren.

Eine Frage muss ich Ihnen in diesem Zusammenhang stellen:

Wie erklären Sie sich und uns, dass Sie noch in der vergangenen Woche gegenüber dem Magazin Westpol unseren Vorschlag für einen zentralen Extremismus-Beauftragten beim Landeskriminalamt abgelehnt haben? Heute wollen Sie selbst einen Beauftragten installieren. Woher auf einmal dieser plötzliche Sinneswandel?

Anzeichen gab es für Sie doch genug:

  • Mai 2019: Flyer der „Identitären Bewegung“ in einen Polizeibus in Duisburg – Herbert Reul: „Das kann nicht sein.“
  • März 2020: Hamm – Ihre Reaktion: „Das darf sich nicht wiederholen.“
  • Gestern sagten Sie dann: „Ich habe nicht geglaubt, dass es eine Dimension wie jetzt hat.“

Sehr geehrter Herr Minister, wenn Sie nun in Ihrer ganz eigenen Art hervorpreschen mit: Die Zeit des Lamentierens müsse vorbei sein. Jetzt sei die Zeit des Handelns. Dann gebe ich Ihnen ausdrücklich Recht, aber: Die Zeit des Handelns ist schon vor langer Zeit gekommen. Die Vorschläge sind lange auf dem Tisch. Lassen Sie uns nicht über das Lamentieren lamentieren, sondern endlich handeln.

Sie haben nun angekündigt, einen Sonderbeauftragten zu installieren. Einen solchen Extremismusbeauftragten haben wir immer gefordert. Als sie gestern angesprochen wurden, ob dies nicht ein spätes Einlenken sei, erwiderten sie: Nein, der Beauftragte der SPD solle ja koordinieren, überwachen und forschen, das sei was anderes. Ja, was soll der denn sonst!?

Dieser Sonderbeauftragte braucht starke Kompetenzen. Er muss ein ständiger Sonderermittler sein.

Ja, er muss koordinieren, überwachen, die Probleme erforschen. Wir benötigen Erkenntnisse statt Bauchgefühl als Grundlage des Handelns. Wir müssen endlich aufhören zu glauben, sondern anfangen zu wissen.

Wir brauchen daher endlich ein Lagebild Rechtsextremismus. Und deswegen müssen unabhängige Studien zum Ausmaß der Gefahr in Auftrag gegeben werden.

Wir müssen auch Möglichkeiten schaffen, Verdachtsfälle aus der Polizei heraus anonym melden zu können. Ich habe da keine Angst, dass die Polizei sich dann nur gegenseitig diffamieren würde. Unsere Beamtinnen und Beamte würden damit genau so sorgfältig umgehen, wie mit dem Rechtsstaat, den wir jeden Tag in ihre Hände legen.

Die Beamten wissen: Es ist doch gerade vor dem Hintergrund der Geschichte unseres Landes unerträglich, wenn braune Schafe in unseren Sicherheitsbehörden Propaganda-Material austauschen, die der Verfassungsschutz als “Hardcore-Rechtsextremisten-Material” bezeichnet.

Herrr Ministerpräsident, Herr Minister, wenn Sie bislang schon nicht auf die demokratische Opposition im Parlament hören wollten, dann doch wenigstens auf das Internationale Auschwitz Komitee. Das Komitee appelliert an uns alle, endlich eine deutschlandweite Studie in Auftrag zu geben, um gesicherte Erkenntnisse zu gewinnen.

Deshalb fordern wir Sie heute auf: Machen Sie Druck auf Bundesinnenminister Seehofer und fordern Sie ihn dazu auf, endlich eine unabhängige wissenschaftliche Studie über Rechtsextremismus in unseren Sicherheitsbehörden in Auftrag zu geben. Danach ist noch niemand dümmer geworden.

Die wichtigste Lehre aus dem NSU ist es, Debatten zu führen, öffentlich zu führen und Probleme anzusprechen. Und da ist der Landtag, da ist dieses Plenum genau der richtige Ort, um ein klares gemeinsames Zeichen zu setzen im Kampf gegen Rechts.

Es geht nicht darum, rechtsextreme Strukturen aufzudecken. Es geht darum, Strukturen gegen den Rassismus einzuziehen. Wie entsteht eigentlich Rechtsextremismus? Wieso kriecht er in unsere Gesellschaft, und wieso kriecht er auch in unsere Polizei?

Demokratische Politikerinnen und Politiker und Vorgesetze haben bei der Beantwortung dieser Fragen eine Vorbildfunktion.

Die Macht der Sprache – sie kriecht auf leisen Sohlen in unser Gehirn. Deshalb müssen wir mit unserer Sprache besonders sorgsam sein.

Das gilt auch, wenn man in Talkshows sitzt. Worte mit Bedacht wählen, keine unnötige Emotionalisierung. Das gilt für uns alle, aber natürlich auch für Sie, Herr Reul.

Sonst kapseln sich die Menschen untereinander weiter ab. Das schadet der Sicherheit in unserem Land auf Dauer mehr als dass es nützt.

Wir müssen den Menschen in unserem Land beweisen, dass sie auch Vertrauen haben können. Und zwar nicht nur in Polizei und Justiz. Auch in uns. 

Deshalb lassen Sie uns heute hier ein gemeinsamen Signal senden:

  • Wir dulden keine Nazis in unserer Nachbarschaft.
  • Wir dulden keine Nazis in unseren Vereinen.
  • Und wir dulden erst Recht keine Nazis in unserer Polizei und den Sicherheitsbehörden.

Es geht um den demokratischen Rückhalt für unseren Staat, für unsere Behörden, für unsere Polizei.  

Sie verdienen Respekt! Sie verdienen Vertrauen!

Und dieses Vertrauen erarbeiten wir heute und in den kommenden Wochen hier im Parlament und in unseren Ausschüssen immer wieder. Lassen Sie uns das gemeinsam tun. Wir haben dazu Vorschläge gemacht.

Danke sehr!

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