THEMA ARBEIT
Sichere, faire Löhne und gute Bedingungen im Beruf
Globalisierung, Digitalisierung, neue Märkte. Die Arbeitswelt verändert sich rasant. Wir sind die Partei der Arbeiternehmerinnen und Arbeitnehmer und sehen es deshalb als unsere wichtigste Aufgabe an, Arbeit aufzuwerten und die Rechte der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer zu stärken. Wir sind fest davon überzeugt: Jeder Mensch hat das „Recht auf Arbeit“ unter guten und gerechten Bedingungen.
Unsere zentralen Forderungen im Überblick:
- Wir fordern die Erhaltung des bestehenden Arbeitszeitgesetzes, um Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer genügend Ruhezeit zu garantieren.
- NRW braucht gesundheitsförderliche und familienfreundliche Arbeitszeiten, um das Land langfristig zu stärken.
- Wir wollen allen Arbeitslosen mit Hilfe eines sozialen Arbeitsmarktes die Möglichkeit auf eine Rückkehr in die Arbeitswelt eröffnen.
- Die SPD-Fraktion im Landtag NRW fordert eine Erhöhung des Mindestlohns auf ein Niveau von 12 Euro.
- Die Einführung einer Nachunternehmerhaftung und bessere Dokumentationspflichten sind erforderlich, um die Beschäftigten in der Zustellungsbranche erfolgreich vor unzumutbaren Arbeitsbedingungen zu schützen.
Arbeit in NRW
Die Welt verändert sich, aber das Ziel der Sozialdemokratie bleibt: Wir wollen die Arbeitswelt der Zukunft für jede und jeden gerecht, solidarisch und sicher gestalten.
Eine gerechte Arbeitswelt und eine sinnvolle Arbeit sind der Garant für soziale Teilhabe von Beschäftigten, ein gesteigertes Selbstwertgefühl und den gesellschaftlichen Zusammenhalt. Deswegen kämpfen wir permanent gegen Arbeitslosigkeit, um jeder und jedem die Möglichkeit für einen guten Job zu geben.
Der Wandel der Arbeitswelt ist stetig und geht in großen Schritten voran. Damit einhergehende Faktoren wie beispielsweise die Digitalisierung oder der soziale Arbeitsmarkt müssen die Teilhabechancen von Beschäftigten und Arbeitslosen deutlich erhöhen. Dafür ist es notwendig, gesetzlich und tarifliche Rahmen zu schaffen, die variable Arbeitszeitmodelle, das Recht auf Nichterreichbarkeit sowie Regelungen für das mobile Arbeiten ermöglichen. Zudem ist es von höchster Relevanz, den Gesundheits- und Arbeitsschutz für die Beschäftigten den neuen Gegebenheiten wirksam anzupassen. Bei diesem Prozess sind Gewerkschaften und Beschäftigte unverzichtbare Partner und müssen daher unbedingt in den Entwicklungsprozess eingebunden werden.
Arbeitszeitgesetz
Die Digitalisierung bietet das Potenzial, Arbeitszeiten flexibler zu gestalten und so etwa die Vereinbarkeit von Familie und Beruf zu verbessern. Das bundesweit geltende Arbeitszeitgesetz bildet dabei den Rahmen für moderne Arbeitszeitgestaltung. Das Gesetz schützt die Gesundheit der Beschäftigten, indem es die Höchstgrenzen für die tägliche Arbeitszeit und die Mindestdauer für Ruhezeiten und Pausen festlegt. Gleichzeitig verbessert es die Rahmenbedingungen für flexible Arbeitszeiten. Zurzeit schreibt das bundesweit geltende Arbeitszeitgesetz vor, dass Arbeitnehmer eine Arbeitszeit von acht bis maximal zehn Stunden pro Tag in der Regel nicht überschreiten dürfen. Zudem gibt es eine Mindestruhepause, die beachtet werden muss. Das heißt: Nach Feierabend haben Beschäftigte einen Anspruch auf eine ununterbrochene Ruhezeit von elf Stunden. Unter den Beschäftigten besteht mehr und mehr der Wunsch nach einen größeren Entscheidungsspielraum bei der Ausgestaltung ihrer Arbeitszeit. Das Arbeitszeitgesetz räumt den Sozialpartnern daher das Recht ein, abweichende Regelungen festzulegen. Dies kann auf Basis von Tarifverträgen oder durch Abschluss einer Betriebs- oder Dienstvereinbarung erfolgen.
Das deutsche Arbeitsrecht ist bereits jetzt so flexibel, dass es erhebliche Ausnahmen vom 8-Stunden-Tag vorsieht. Insbesondere aus Kreisen von CDU, FDP und Arbeitgeberverbänden wird jedoch immer wieder behauptet, dass das deutsche Arbeitszeitgesetz nicht mehr zeitgemäß und zu unflexibel sei. Die Digitalisierung der Arbeitswelt mache eine Umorientierung notwendig. Deshalb wollte die Landesregierung im Rahmen einer Bundesratsinitiative das Arbeitszeitgesetz aufweichen, wodurch sie die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer eindeutig im Stich gelassen hat. Damit hat Schwarz-Gelb den unternehmerischen Interessen gegenüber individuellen Arbeitszeiten Vorrang gewährt, ein verheerendes Signal in Zeiten des Fachkräftemangels: Denn diese lassen sich nicht durch überlange Arbeitszeiten und geringere Ruhezeiten gewinnen.
Folgerichtig ist die Landesregierung mit ihrem Vorhaben, das Arbeitszeitgesetz aufzuweichen, krachend gescheitert. Anstatt sich nur auf die Seite der Unternehmen zu schlagen, muss sie nun stärker die Bedürfnisse der Beschäftigten in den Blick nehmen. Viele Menschen arbeiten ständig an der Belastungsgrenze. Stress und psychische Erkrankungen sind seit Jahren auf dem Vormarsch. Anstatt die Schraube immer weiter anzuziehen, muss Druck aus dem System genommen werden. Dies wurde zuletzt auch durch ein wegweisendes Urteil des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) bestätigt, laut dem die Arbeitszeit eines jeden Beschäftigten in der EU systematisch erfasst werden müsse.
Derzeit zeichnet etwa ein Fünftel der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in Deutschland die Arbeitszeit nicht auf, für sie gilt die so genannte Vertrauensarbeitszeit: Der Arbeitgeber überlässt es den Beschäftigten selbst zu organisieren, wie sie die vereinbarte Arbeitszeit absolvieren. Das führt jedoch zumindest teilweise zu einer Vielzahl von unbezahlten Überstunden und nicht ausreichenden Ruhezeiten. Eine genaue Arbeitszeiterfassung kann daher einen Beitrag dazu leisten, die Rechte der Beschäftigten zu sichern. Die Landesregierung ist nun gefordert, sich in dem Diskussionsprozess auf Bundesebene hinsichtlich der gesetzgeberischen Konsequenzen umfassend an einer Lösung im Sinne der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer zu beteiligen.
Für die SPD-Fraktion ist klar, dass gute Arbeit und faire Arbeitsbedingungen sich einander bedingen. Ein Aufweichen des Arbeitszeitgesetzes ist nicht notwendig. Den Wunsch nach mehr Flexibilität gibt es von beiden Seiten. Es bedarf eines gerechten Ausgleichs der Interessen. Das Arbeitszeitgesetz ist als Schutzgesetz zur Gesunderhaltung der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer ein unverzichtbares Instrument, um die Rechte, die Mitbestimmung und die Zeitsouveränität der Beschäftigten zu stärken. Ohne die politische Gestaltung einer zunehmend digitalisierten Arbeitswelt kommen die Produktivitäts- und Wohlstandspotenziale des technischen Fortschritts nur einseitig Unternehmenseigentümern und nicht ausreichend auch den Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern zugute.
Schutzrechte der Beschäftigten dürfen nicht durch schlichte Deregulierung zerstört werden. Es ist nicht zuletzt auch im Interesse der Unternehmen, wenn das Fachkräftepotenzial in unserem Land durch gesundheitsfördernde und familienfreundliche Arbeitszeiten mittel- und langfristig gestärkt wird. Eine Zerstörung von Arbeitnehmerrechten werden wir nicht zulassen.
Sozialer Arbeitsmarkt
Auch die Chance auf Teilhabe am Arbeitsmarkt für jede und jeden hat für uns oberste Priorität. Um allen Arbeitslosen die Möglichkeit auf eine Rückkehr in die Arbeitswelt zu ermöglichen unterstützen wir das Modell eines sozialen Arbeitsmarkts. Über das sogenannte „Teilhabechancengesetz“ von Bundesarbeitsminister Hubertus Heil (SPD) erhalten Unternehmen mit dem sozialen Arbeitsmarkt zwei Jahre einen hundertprozentigen Lohnzuschuss, wenn sie Menschen sozialversicherungspflichtig einstellen, die mehr als sechs Jahre Arbeitslosengeld empfangen haben. In jedem weiteren Jahr verringert sich der staatliche Zuschuss um 10 Prozent. Im Zuge der Eingliederung wird der Lohn mehr und mehr vom Arbeitgeber übernommen. Die Förderungsdauer beträgt maximal fünf Jahre.
Eine weitere Fördermöglichkeit zielt auf Unternehmen, die Personen einstellen, die mehr als zwei Jahre arbeitslos waren. Sie erhalten einen Zuschuss für zwei Jahre: Im ersten Jahr sind das 75 Prozent des regelmäßig gezahlten Lohns und im zweiten Jahr 50 Prozent. In beiden Modellen erhalten die geförderten Langzeitarbeitslosen eine umfangreiche Betreuung und Weiterbildungsmaßnahmen. Es geht darum, dass niemand im gesellschaftlichen Alltag vergessen wird. So wird der soziale Arbeitsmarkt zu einem sozialdemokratischen Jahrhundertprojekt.
Antrag der SPD-Fraktion
- Guter Start in den Sozialen Arbeitsmarkt in NRW – schwarz-gelbe Landesregierung muss alles geben, um Langzeitarbeitslosigkeit zu bekämpfen! Drucksache 17/6589
Gesetzlicher Mindestlohn
Arbeit hat in Deutschland ihren Wert, weil es seit über fünf Jahren in Deutschland einen gesetzlichen Mindestlohn gibt. Dafür haben die SPD und die Gewerkschaften viele Jahre gemeinsam gekämpft. Für anständig entlohnende Arbeitgeberinnen und Arbeitgeber bedeutet es Schutz vor Dumping-Wettbewerb. Für Millionen hart und engagiert arbeitende Arbeit- nehmerinnen und Arbeitnehmer bedeutet es, dass ihre Anstrengung auch angemessenen Lohn erfährt.
Die ersten fünf Jahre belegen ganz klar, dass der Mindestlohn ein voller Erfolg ist und zwar für die Vielen und nicht die Wenigen! Denn Millionen von Beschäftigten profitieren von der gesetzlichen Lohnuntergrenze. Jedoch wurde vor allem aus Reihen der Union, FDP und Wirtschaftsverbänden massiv gegen die Einführung des Mindestlohns gekämpft und der volkswirtschaftliche Untergang Deutschlands herbeibeschworen.
Fünf Jahre Erfolgsgeschichte Mindestlohn zeigen aber, dass die Horrorszenarien der Mindestlohn-Gegner nicht eingetreten sind. Den Vielen hat der gesetzliche Mindestlohn geholfen, ihre Einkommen deutlich zu erhöhen. Er hat den privaten Konsum angekurbelt, zum aktuellen Aufschwung beigetragen und die sozialversicherungspflichtige Beschäftigung massiv erhöht. Die Unkenrufe von Arbeitgebern, Wirtschaftsforschern und aus Union und FDP, es werde zu Arbeitsplatzverlusten führen, haben sich nicht bestätigt.
Problematisch ist trotz des Erfolges der Sozialdemokratie, dass der Mindestlohn weiterhin Niedriglohn ist und nur untere Haltelinie sein kann. Für SPD-Fraktion ist deshalb eine Erhöhung des Mindestlohns auf ein Niveau von 12 Euro unumgänglich! Zusätzlich müssen gute und möglichst umfassend geltende Tarifverträge für Beschäftigte das wichtigste Instrument zur Regelung von Lohn- und Arbeitsbedingungen bleiben, um einen armutsfesten Mindestlohn nicht zur Regel bei der Beschäftigung werden zulassen. Derzeit bieten nicht erfasste Überstunden, ungerechtfertigte Lohnabzüge und andere Tricksereien die Möglichkeit, faktisch unterhalb des Mindestlohnes zu entlohnen. Die Einhaltung des ausnahmslosen Mindestlohns muss deshalb durch umfassende Kontrolle und konsequente Ahndung von Verstößen gewährleistet werden.
ch der staatliche Zuschuss um 10 Prozent. Im Zuge der Eingliederung wird der Lohn mehr und mehr vom Arbeitgeber übernommen. Die Förderungsdauer beträgt maximal fünf Jahre.
Eine weitere Fördermöglichkeit zielt auf Unternehmen, die Personen einstellen, die mehr als zwei Jahre arbeitslos waren. Sie erhalten einen Zuschuss für zwei Jahre: Im ersten Jahr sind das 75 Prozent des regelmäßig gezahlten Lohns und im zweiten Jahr 50 Prozent. In beiden Modellen erhalten die geförderten Langzeitarbeitslosen eine umfangreiche Betreuung und Weiterbildungsmaßnahmen. Es geht darum, dass niemand im gesellschaftlichen Alltag vergessen wird. So wird der soziale Arbeitsmarkt zu einem sozialdemokratischen Jahrhundertprojekt.
Antrag der SPD-Fraktion
- Schluss mit Mini-Mindestlohn Drucksache 17/7915
„Brückenteilzeit“
Um Arbeitnehmer außerdem weitergehend zu unterstützen, haben wir uns mit einem Antrag erfolgreich für eine Weiterentwicklung des Teilzeit- und Befristungsgesetzes eingesetzt. Denn wer jetzt seine Arbeitszeit für eine Zeit lang reduziert, um Freunde oder Angehörige zu pflegen, Kinder zu erziehen oder sich weiterzubilden, hat jetzt das Recht, zur vorherigen Arbeitszeit zurückkehren können. Millionen von Beschäftigten profitieren von der neuen „Brückenteilzeit“.
Antrag der SPD-Fraktion
- Raus aus der „Teilzeitfalle“ –Teilzeitrecht weiterentwickeln, Brückenteilzeit einführen und Rückkehrrecht in Vollzeit ermöglichen! Drucksache 17/2756
Arbeitnehmerrechte und Arbeitnehmerschutz in den Zustelldiensten
Für Jede und Jeden ermöglichen Arbeitszeitgesetz, sozialer Arbeitsmarkt und gesetzlicher Mindestlohn eine Teilhabe an der Gesellschaft. Trotzdem werden in der Zustellbranche immer wieder unzumutbare Arbeitsbedingungen festgestellt. Für die mehr als 490.000 Beschäftigten in den Zustelldiensten werden Arbeitnehmerrechte und Arbeitsschutz scheinbar systematisch unterlaufen. Bislang können sich die Paketdienste damit herausreden, dass sie die Einhaltung von Vorschriften verlangen, und geben die Verantwortung an die Subunternehmen weiter. Die Einführung einer Nachunternehmerhaftung und bessere Dokumentationspflichten sind erforderlich, um die zum Teil mafiösen Strukturen in der Paketzustellbranche zu unterbinden. Die SPD-Fraktion hatte mit einem eigenen Antrag die Landesregierung aufgefordert, eine Bundesratsinitiative von Niedersachsen zu unterstützen. Damit haben wir ein klares Zeichen gesetzt, dass mit uns Verstöße gegen Arbeitsschutz, die Ausbeutung von Beschäftigten und Lohndumping nicht zu machen sind. Durch den Druck der SPD-Landtagsfraktion hat die schwarz-gelbe Landesregierung im Oktober 2019 im Bundesrat dem Paketboten-Schutzgesetz zugestimmt.
Antrag der SPD-Fraktion
- Arbeitnehmerrechte für Paketbotinnen und Paketboten sichern! Drucksache 17/5372
Bundesratsinitiative
- Arbeitnehmerrechte für Paketbotinnen und Paketboten sichern! Bundesrat Antrag Niedersachsen
Arbeit und Digitalisierung
Der digitale Wandel wird die Arbeitswelt verändern und eine weitgehende Reorganisation des Arbeitsmarktes mit sich bringen. Ob dies disruptiv und damit mit erheblichen Strukturbrüchen oder im Sinne einer nachhaltigen und gestalteten Transformation geschieht, ist offen. Wie ist Nordrhein-Westfalen als ein Kernland der Industrie in Deutschland für den digitalen Wandel gewappnet? Was sind die Besonderheiten, die NRW-spezifischen Chancen und Risiken? Konkret rückt darüber hinaus auch die Frage ins Zentrum, inwieweit die Menschen auf allen Qualifikationsstufen die Chance bekommen, die Veränderungen ihrer Arbeit mit Mehrwert für sich und andere mitzugestalten bzw. sich auf teilweise grundlegend neue Tätigkeitsprofile auszurichten. Gerade hieran werden sich Akzeptanz und gesellschaftliche Folgewirkungen entscheiden.
Bereits jetzt ist erkennbar, dass Sektoren, Branchen und berufliche Qualifikationen sehr unterschiedlich betroffen sein werden und es bereits sind, wie z. B. der Arbeitsplatzabbau im Versicherungs- und Finanzbereich zeigt. Grundsätzlich werden nicht nur geringqualifizierte Tätigkeiten und die heute schon einfach automatisierbaren Routineanteile in den verschiedenen Berufen digitalisiert, sondern auch bisher als höherwertig eingestufte Aufgaben, beispielsweise im Bereich von Recherche, Analyse und Beratung. Das IAB-Regional in NRW schätzt, dass 16 Prozent aller Beschäftigungsverhältnisse mit einem hohen Substituierbarkeitspotenzial von über 70 Prozent konfrontiert sind, also dem Anteil der Tätigkeiten, die innerhalb eines Berufes digitalisier-, automatisier- und damit ersetzbar werden. Noch entspricht die betriebliche Wirklichkeit nicht den prognostizierten Schätzungen. Vielmehr werden qualifizierte Fachkräfte dringend benötigt und werden sogar gesucht. In diesem Kontext sind weitere empirische Fakten und Entwicklungsbeschreibungen dringend notwendig. Gelingen die erforderlichen Entwicklungsprozesse nicht oder nicht rechtzeitig genug, drohen Arbeitslosigkeit und Fachkräftemangel zeitgleich, mit Schäden für die wirtschaftliche und soziale Leistungsfähigkeit von Unternehmen und Regionen.
Wenn beispielsweise die stark durch Technik getriebenen Szenarien zur Vollautomatisierung des Verkehrswesens greifen, ist in Nordrhein-Westfalen hiervon die Mehrheit der knapp 350.000 Beschäftigten potenziell betroffen. Das zeigt den enormen Diskussions- und Handlungsbedarf über die rein technologisch getriebenen Entwicklungsszenarien hinaus, die eines ganzheitlichen Ansatzes bedürfen, der menschliche Fertigkeiten und Kompetenzen sowie Organisationsstrukturen und Technik gleichermaßen weiterentwickelt. Denn nur in diesem Zusammenspiel entscheiden sich auch der Erfolg neuer Technologien und der Nutzen ihres Einsatzes in Unternehmen und Gesellschaft. So ließe sich auch der schon heute bei vielen Beschäftigten entstandenen Verunsicherung und Zukunftsangst, die es trotz hervorragender wirtschaftlicher Rahmenbedingungen auch in NRW gibt, entgegengewirken.
Zugleich bietet die digitale Transformation ein hohes Potenzial für neu entstehende Arbeitsplätze. Wenn die Einschätzung des IAB zutreffend ist, dass bis 2025 einerseits 1,5 Millionen Arbeitsplätze in Deutschland wegfallen, zugleich aber nahezu 1,5 Millionen neue Arbeitsplätze vermehrt im Dienstleistungssektor, in der IT-Branche sowie dem Gesundheitswesen entstehen, bietet dies ein hohes Potenzial auch für Nordrhein-Westfalen. Die Zahlen machen aber deutlich, dass die Bewältigung der damit verbunden Anpassungsprozesse neue und erhebliche Anforderungen an die Akteure in unserem Bundesland stellen werden, da bezogen auf NRW mehr als 300.000 Menschen in der genannten Zeitspanne in ein grundlegend anderes Tätigkeitsfeld wechseln müssen. Diese Verschiebungen werden sich nicht durch Rentenabgänge und berufliche Neueinstiege von selbst regeln, sondern erfordern gezielte Aus-, Fort- und Weiterbildungsanstrengungen. Dies gilt besonders vor den heute schon erkennbar extrem unterschiedlichen regionalen Arbeitsmärkten und Innovationskulturen in NRW.
Auch wenn in Deutschland Crowdworking noch in erster Linie nebenberuflich betrieben wird, scheint es geboten, sich der Frage zu widmen, wie man für diese Form von Beschäftigung zukünftig nicht nur existenzsichernde Einkommen, sondern insgesamt all jene Standards sichern kann, die bislang an Beschäftigung gekoppelt waren. Wenngleich noch nicht absehbar ist, welche Rolle diese neue Form der Arbeitsorganisation in Zukunft in Deutschland spielen wird, so kann man doch einen Trend zur Hybridisierung von Erwerbsformen konstatieren. Das bedeutet zum einen zunehmende Wechsel zwischen abhängiger Beschäftigung und Selbständigkeit bzw. Arbeitslosigkeit im Lebensverlauf, aber auch eine zunehmende Gleichzeitigkeit von abhängiger und selbstständiger Beschäftigung – Lebensläufe werden volatiler und weniger planbar.
NRW war das Bundesland, in dem die Kultur der demokratischen Teilhabe der Beschäftigten entwickelt und gelebt worden ist. Es muss geklärt werden, welche Impulse jenseits eines naiven „Digital First, Bedenken Second“ von Nordrhein-Westfalen zur Bewältigung dieser aktuellen Herausforderungen geleistet werden können. Dass NRW als größtem Bundesland mit der dichtesten Hochschullandschaft Europas hierbei eine Schlüsselrolle in Deutschland zukommt, sollte als positive Herausforderung begriffen werden. Neben möglichen Produktivitätsgewinnen lassen sich durch die Digitalisierung auch Chancen für eine aktive Beteiligung und Mitbestimmung von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern in Unternehmen nutzen. Diese bereits vorhandenen Strukturen und Möglichkeiten bieten Ansatzpunkte, um diese Veränderungsprozesse ganzheitlich anzugehen – aus den Perspektiven von Mensch, Organisation und Technik.
Doch auch hier geraten Akteure an Grenzen, angesichts der Dynamik und Umfänglichkeit dieser Prozesse. Die Arbeitskapazitäten betrieblicher Interessenvertretung und die Strukturen von Mitgestaltung und Mitbestimmung sind im Interesse guter Lösungen für Beschäftigte wie Unternehmen deutlich auszuweiten. Information, Beteiligung und Mitwirkung der Beschäftigten werden zentrale Erfolgsfaktoren für die industrielle Entwicklung am Standort im Interesse sicherer und guter Arbeit der Zukunft sein. Letztlich sind sie die Innovationsträger und diejenigen, die dafür sorgen, dass auch in Zukunft Menschen Innovationsträger bleiben.
Von der auf Antrag der SPD-Fraktion eingesetzten Enquetekommission „Digitale Transformation der Arbeitswelt in Nordrhein-