Am 14./15. Januar ist es ein halbes Jahr her, dass das Tief Bernd ein katastrophales Unwetter über weite Teile von Nordrhein-Westfalen und Rheinland-Pfalz gebracht hat. Allein in NRW haben 49 Menschen dabei ihr Leben verloren, Zehntausende standen und stehen weiter vor dem Nichts. Die Hochwasser-Katastrophe hat den Opfern von jetzt auf gleich fast alles genommen. Hierzu erklärt Thomas Kutschaty, Vorsitzender der SPD-Fraktion im Landtag NRW:

„Die Bilder der Hochwasser-Katastrophe haben sich tief in unser kollektives Bewusstsein eingebrannt. Sie sind uns noch immer gegenwärtig – genauso wie das Schicksal der betroffenen Opfer. Unsere Gefühle und Anteilnahme sind seit den ersten Stunden dieser Tragödie bei den Menschen, die an diesen Schreckenstagen geliebte Angehörige und Freunde, das Zuhause oder das Vertrauen in die Sicherheit der eigenen Wohnung verloren haben. Wir tun gut daran, ihnen auch jetzt und noch für lange Zeit unsere ganze Aufmerksamkeit zu widmen und unseren solidarischen Beitrag für einen gelingenden Wiederaufbau zu leisten. Denn die Hochwasser-Katastrophe ist noch lange nicht vorbei.

Vor Ort wird längst mit Hochdruck am Wiederaufbau gearbeitet. Vieles wird nie mehr so sein, wie es war. Manches können wir dennoch besser machen. Dass immer noch so viele Betroffene auf Hilfen vom Land warten, ist nicht akzeptabel.

Ende des vergangenen Jahres waren von rund 10.600 Anträgen gerade einmal knapp 4.500 in Bewilligung. In Bewilligung bedeutet aber nicht ausgezahlt. Die Menschen vor Ort, die in den Trümmern ihrer Existenz stehen und ihre Tage und Nächte noch immer in kalten Wohnungen verbringen, und auch die betroffenen Unternehmen interessieren sich nicht dafür, wie viele Anträge ,im Prozess’ oder ,in Bewilligung‘ sind. Sie wollen, dass endlich die finanziellen Hilfen auf ihrem Konto eingehen.

Sechs Monate nach der Katastrophe müssen sie Kosten für Gutachter, Handwerker und Einkommensausfälle aus eigenen Reserven, mit Krediten oder der Hilfe von Freunden und Verwandten überbrücken. Menschen, denen die Erlebnisse der Flutnacht und der Tage vom 14. und 15. Juli noch in den Knochen stecken, die mit den seelischen Folgen der Erlebnisse bis heute zu kämpfen haben, müssen sich mit Versicherungen und dem komplizierten Antragsverfahren der Landesregierung ärgern.

Die Betroffenen erwarten zurecht endlich eine deutliche Beschleunigung bei der Bewilligung und Auszahlung der Hilfsgelder. Die Landesregierung darf die Kommunen beim Wiederaufbau der Infrastruktur und die Menschen bei der psychologischen Aufarbeitung des Erlebten nicht weiter alleine lassen. Es braucht personelle Unterstützung für die Kommunen und ein Traumazentrum für die betroffene Region sowie zusätzliche Psychotherapeutinnen und -therapeuten.

Sechs Monate nach der Katastrophe warten die Menschen in den betroffenen Gebieten auch weiter auf Antworten, warum die Landesregierung sie vor diesem Unwetter nicht ausreichend geschützt oder gewarnt hat. Der hierzu eingesetzte Parlamentarische Untersuchungsausschuss will diese Antworten geben. Aber die Hinhaltetaktik der Landesregierung behindert die wichtige Aufgabe des Ausschusses massiv. Unvollständige Aktenbestände, geschwärzte Unterlagen, kurzfristige Einladungen von Zeugen mit zum Teil nur drei ganzen Tagen für die Vorbereitung sind eine Missachtung dieser wichtigen Aufklärungsarbeit. Wir kennen unsere parlamentarischen Rechte. Sollte sich weiter der Eindruck verfestigen, dass die Landesregierung versucht zu verschleiern, wird sich der Verfassungsgerichtshof damit beschäftigen müssen.

Wie gestern durch eine Berichterstattung von SPIEGEL online bekannt wurde, soll sich die Landesregierung bewusst dagegen entschieden haben, den Krisenstab zu aktivieren. In ihrer Zeugenvernehmung haben Ministerpräsident a.D. Laschet und Staatssekretär Liminski jedoch einen anderen Eindruck zu erwecken versucht. Dazu werden sie sich noch einmal gegenüber dem Ausschuss erklären müssen. Wir werden uns jedenfalls nicht in unserem Aufklärungswillen behindern lassen. Das sind wir den Opfern der Katastrophe schuldig.“