Im Parlamentarischen Untersuchungsausschuss „Hochwasserkatastrophe“ (PUA V) wurden am vergangenen Freitag (25. Februar 2022) erneut Zeugen gehört. Hierbei handelte es sich um zwei Regierungsbeamtinnen aus dem Ministerium für Umwelt, Landwirtschaft, Natur- und Verbraucherschutz (MULNV), den Meteorologen Dominik Jung vom privaten Wetterdienst „Wetternet“ sowie um Umweltministerin Ursula Heinen-Esser selbst. 

In der Vernehmung der beiden Regierungsbeschäftigten aus dem MULNV wurde deutlich, wie wenig handlungsorientiert und alarmbereit das Krisenmanagement der Landesregierung inmitten der sich anbahnenden Katastrophe offenbar war. Warnhinweise, die dem MULNV bereits am Morgen des 12. Juli vorlagen, wurden der Umweltministerin, die – wie ihr Staatssekretär – zu diesem Zeitpunkt im Urlaub weilte, nicht weitergeleitet. Hochrangige Regierungsbeamte haben an wichtigen Telefonkonferenzen gar nicht erst teilgenommen. Und aus Besprechungsprotokollen gehen keine Detailberatungen zur drohenden Hochwasserkatastrophe hervor. Selbst als der Ministerin erstmals entsprechende Warnungen vorlagen, nahm sie zu keinem Zeitpunkt Kontakt zu dem für Katastrophenschutz zuständigen Innenminister auf.

Dafür war der gesamte Regierungsapparat bei Eintritt der Unwetter jedoch größtenteils damit beschäftigt, für den im Bundestagswahlkampf befindlichen Ministerpräsidenten a.D. Armin Laschet Termine zu organisieren, bei denen er sich medial in Szene setzen konnte.

Auch die Arbeit der von Innenminister Reul stets als zentrales Instrument hervorgehobenen sog. „Koordinierungsgruppe“ (KGS) wurde durch die Vernehmungen einmal mehr relativiert. So wurden in den Sitzungen offenbar hauptsächlich Informationen und Lageberichte ausgetauscht, jedoch keine erkennbaren Maßnahmen zur Lagebewältigung ergriffen. Auf die Frage nach den Entscheidungs- und Handlungskompetenzen dieser KGS antwortete eine Regierungsbeschäftigte nur: „Was hätten wir denn entscheiden sollen, die Katastrophe war doch schon da!“

Als die Katastrophe schon da war und das Land NRW buchstäblich unter Wasser stand, entschied sich die Umweltministerin jedoch, ihren zuvor unterbrochenen Urlaub ab 17. Juli für weitere vier Tage fortzusetzen. Dafür soll es private Gründe gegeben haben. Tatsache ist jedoch: Während weite Teile des Landes nicht mehr wieder zu erkennen waren und die Betroffenen vor dem Nichts und mit tausenden Helferinnen und Helfern im Schlamm standen, machte sich die Ministerin wieder auf den Weg nach Spanien.

Hierzu erklärt Stefan Kämmerling, Obmann der SPD-Fraktion im PUA V:

„Man muss es leider so deutlich aussprechen: Das Bild vom Organisationsversagen dieser Landesregierung wird immer klarer. Die Anzeichen der sich anbahnenden Katastrophe wurden im Vorfeld überhaupt nicht richtig erkannt, was auch damit zusammenhängen kann, dass die verantwortlichen Regierungsmitglieder schlicht nicht vor Ort waren. Jedenfalls hat die Landesregierung vor Eintritt der Unwetter keinerlei Maßnahmen ergriffen, mit denen Kommunen und Katastrophenschutz-Organisationen sich auf das Hochwasser hätten vorbereiten können. Dazu hätte sie jedoch spätestens ab dem 12. Juli Gelegenheit gehabt, indem sie zum Beispiel frühzeitig den Krisenstab des Landes aktiviert hätte. So wäre sie jederzeit in der Lage gewesen, steuernd und koordinierend einzugreifen. Aber dazu fehlte ihr im Vorfeld der Katastrophe die notwendige Alarmbereitschaft. Als sie die KGS einrichtete, war leider alles schon viel zu spät. So war sie nur noch zum Zuschauen verdammt und hat dabei offenbar mehr über mediale Inszenierungen des Ministerpräsidenten nachgedacht als über Lösungen.

Umweltministerin Heinen-Esser hat in ihrer Vernehmung viel über Konsequenzen gesprochen und dabei ihre Fehler bei der Vorgängerregierung abzuladen versucht. Das ist verantwortungslos und dem Selbstverständnis einer amtierenden Ministerin nicht angemessen. Wer das Land wieder verlässt, um ins Home-Office auf Mallorca zu wechseln, während weite Teile noch unter Wasser stehen, sollte auch persönliche Konsequenzen ziehen.“