Zu den aktuellen Erkenntnissen über das Krisenmanagement der Landesregierung in der Hochwasser-Katastrophe erklären André Stinka und Sven Wolf, stellvertretende Vorsitzende der SPD-Fraktion im Landtag NRW:

André Stinka:

„Seit Wochen konnte und wollte Ministerin Heinen-Esser nicht sagen, mit wem sie wann wegen der Flutkatastrophe innerhalb der Landesregierung Kontakt hatte. Jetzt kann sie sich wieder erinnern und soll nach eigener Aussage in der Nacht vom 13. auf den 14. Juli im Austausch mit der Staatskanzlei gestanden haben. Kein Wort mehr indes von einem Kontakt zum Ministerpräsidenten, den sie in der Sondersitzung des Umweltausschusses vom 9. August allerdings noch in den Raum gestellt hatte. Diese Erinnerungen werfen deshalb neue Fragen auf: Wen genau hat sie in der Staatskanzlei in der Nacht vom 13. auf den 14. Juli informiert – und worüber? Welche Handlungsempfehlungen hat sie der Staatskanzlei gegeben? Warum stand sie erst ab dem 14. Juli mit dem Chef der Staatskanzlei in Kontakt und hat ihm erst dann die Hochwasser-Lageberichte weitergeleitet? Und welche Schlüsse hat die Landesregierung aus diesem Austausch gezogen? 

Die Landesregierung muss auch weiterhin fragen lassen, was sie in dem Zeitraum vor dem 14. Juli mit den ihr vorliegenden Informationen gemacht hat. Schließlich ist das Märchen von der Unvorhersehbarkeit klar widerlegt. Bereits mit den Daten des European Flood Awareness Systems (EFAS) war seit dem 9. bzw. 10. Juli klar, dass ein schlimmes Unwetter mit großen Flutgefahren für weite Teile von NRW kommen würde und dass es selbst an kleinen Bächen zu gefährlichen Überschwemmungen kommen kann. Von da an war klar, dass eine Katastrophe kommen würde, ab diesem Zeitpunkt hätte die Landesregierung alarmiert sein müssen. Der hydrologische Lagebericht des Landesamts für Naturschutz, Umwelt und Verbraucherschutz (LANUV) vom 13. Juli hat diese Gefahr fortgeschrieben und konkretisiert. Was seit dem 9. Juli noch eine sehr konkrete und düstere Prognose war, wurde am 13. Juli zu einer schrecklichen Gewissheit.

Deshalb erwarten wir, dass jetzt alle rechtlichen und technischen Möglichkeiten ergriffen werden, damit alle Verbindungs- und sonstigen Kontaktdaten (Telefon, E-Mail, SMS, WhatsApp) der Kabinettmitglieder im Zeitraum 9. bis 16. Juli gesichert werden. Wir müssen nachträglich lückenlos nachvollziehen können, wie das Krisenmanagement der Landesregierung genau abgelaufen ist und welche Versäumnisse es gab.

Sven Wolf:

„Laut eigenen Aussagen soll Innenminister Reul erst im Laufe des 14. Juli in Kontakt zum Ministerpräsidenten gestanden haben. In diesen Gesprächen sollen beide einvernehmlich entschieden haben, den Krisenstab des Landes nicht zu aktivieren. Wir wollen wissen, auf welcher Grundlage diese Entscheidung gefallen ist? Schließlich lagen dem Innenministerium laut eigener Aussage in der Sondersitzung des Innenausschusses vom 28. Juli die hydrologischen Lageeinschätzungen des LANUV gar nicht vor. Über welche Informationen hat der Innenminister also zu diesem Zeitpunkt verfügt? Wie hat er sich dazu konkret mit dem Ministerpräsidenten abgestimmt? Und warum hat er nicht von seiner Möglichkeit Gebrauch gemacht, die Bevölkerung vor der bevorstehenden Katastrophe zu warnen? 

Innenminister Reul hat ja mittlerweile auf Druck einräumen müssen, dass es ein Fehler war, den Krisenstab nicht einberufen zu haben. Ein Vorwurf, der an den Ministerpräsidenten gerichtet sein muss, weil dieser dafür verantwortlich ist. Die Ursache dafür ist nach wie vor ungeklärt.“