In seiner letzten Sitzung für diese Legislaturperiode hat der Parlamentarische Untersuchungsausschuss „Hochwasserkatastrophe“ (PUA V) heute unter anderem Wirtschaftsminister Prof. Dr. Pinkwart und Cornelia de la Chevallerie, Abteilungsleiterin „Gefahrenabwehr“ im Innenministerium, als Zeugen vernommen.

Bei der Befragung von Minister Pinkwart ging es um den Hochwasserschutz an der Kiesgrube in Erftstadt-Blessem, für welche das Wirtschaftsministerium die Fachaufsicht über die genehmigende Bergbaubehörde trägt. Bereits im Februar 2021 hatte der Geologische Dienst in einem Brief an die Bezirksregierung Arnsberg die Standsicherheit des Böschungssystems an der Kiesgrube deutlich hinterfragt. Für beide Behörden trägt der Wirtschaftsminister die Fachaufsicht. Minister Pinkwart hat heute ausgesagt, ihm sei weder der Schriftwechsel bekannt noch habe er den entsprechenden Inhalt kontrollieren können.

Abteilungsleiterin de la Chevallerie hatte am Morgen des 15. Juli 2021 dem Staatssekretär im Innenministerium, Jürgen Mathies, dazu geraten, in Anbetracht der schweren Ereignisse den Krisenstab der Landesregierung zu aktivieren. Dazu ist es bekanntermaßen jedoch nicht gekommen. Außerdem führte sie aus, dass das Innenministerium die Zerstörungskraft des Unwetters unterschätzt habe. Ohne die fachliche Beurteilung aus dem Umweltministerium habe das Innenministerium keine Möglichkeit gehabt, das Ausmaß der Unwetterwarnungen des Deutschen Wetterdienstes einzuschätzen. Diese Beurteilung blieb jedoch aus. Dazu sagte sie in der heutigen Sitzung: „Wir hätten einen Weckruf des DWD gebraucht.“

Hierzu erklärt Stefan Kämmerling, Obmann der SPD-Fraktion im Landtag NRW im PUA V:

„Fakt ist: Minister Pinkwart hätte über die Bedenken zum Hochwasserschutz an der Kiesgrube in Erftstadt-Blessem informiert sein können. Er trägt die Fachaufsicht über die Kiesgrube und auch über die beteiligten Behörden. Dass der Minister nach eigener Aussage nicht wusste, welche Bedenken innerhalb seiner Behörden zum Thema des Hochwasserschutzes ausgetauscht wurden, lässt Zweifel daran aufkommen, wie ernst der Minister seine Fachaufsicht wirklich genommen hat.

Die Vernehmung hat außerdem gezeigt, dass das Parlament beim Hochwasserschutz an der Kiesgrube in Erftstadt-Blessem nicht alle Informationen seitens des Ministeriums erhalten hat, obwohl die verantwortlichen Mitarbeitenden Minister Pinkwart über die bekannte Bedenken und Mängel in Kenntnis setzten. Statt die Erkenntnisse umfassend an das Parlament weiterzugeben, wurden nur die Informationen übersandt, die die Landesregierung entlasten.

Auch die Vernehmung der Abteilungsleiterin aus dem Innenministerium für den Bereich der Gefahrenabwehr zeichnet ein katastrophales Bild der Landesregierung. Als höchste Fachfrau der Landesregierung in Sachen Gefahrenabwehr hat sie im eigenen Haus die Einrichtung eines Krisenstabs vorgeschlagen. Doch Staatssekretär Mathies und Innenminister Reul haben sich gegen die Expertise der eigenen Abteilungsleiterin ausgesprochen. Spätestens damit ist klar: Die Landesregierung hat die Menschen in Nordrhein-Westfalen weder geschützt noch auf die Warnungen aus den eigenen Reihen gehört. Viel zu spät hat die Landesregierung lediglich reagiert. Bis dahin wurde abgewartet und nur beobachtet.

Die Ausführungen der Abteilungsleiterin zeichnen außerdem ein katastrophales Bild der Kommunikation innerhalb der Landesregierung. Immer deutlicher wird, dass es keine Vernetzung zwischen den einzelnen Ressorts gab, die die Koordination der Faktenlage ermöglicht hätte. Genau dafür hätte es einen frühzeitig eingerichteten Krisenstab gebraucht.

Mit der heutigen Sitzung endet die Arbeit des Untersuchungsausschusses für diese Legislaturperiode. In 21 Sitzungen haben wir in erschreckendem Maße gesehen, dass die Landesregierung vor, während und nach der Hochwasserkatastrophe vom Juli 2021 ihrer Verantwortung nicht gerecht geworden ist. Statt Hinweise ernst zu nehmen und entsprechende Vorkehrungen zu treffen, um Menschenleben zu schützen, flüchtet sich die Landesregierung in eine organisierte Nicht-Zuständigkeit. Das gipfelt im Mallorca-Urlaub von fast einem Viertel der Kabinettsmitglieder.“