In der gestrigen Sitzung des Parlamentarischen Untersuchungsausschusses „Kleve“ (PUA III) musste NRW-Innenminister Herbert Reul als Zeuge seine bisherige Aussage vor dem PUA zurücknehmen, dass die Löschung wichtiger Originaldaten im Fall von Amad A. auf legale Art und Weise unvermeidbar war. Im Gegenteil dazu teilte das BKA nunmehr mit, dass man eine Sicherung der in Rede stehenden INPOL-Z-Daten veranlasst hätte, wenn man in NRW nur danach gefragt hätte. Ein durch den Ausschuss in Auftrag gegebenes Datengutachten wird jetzt überprüfen müssen, ob dem PUA III tatsächlich alle beweiserheblichen Daten vorliegen oder nicht.

Während weiter ungeklärt ist, warum die Polizeibeamtinnen und Polizeibeamten in Geldern im Fall von Amad A. trotz unterschiedlicher Abfrageergebnisse, völlig abweichender Namen, Personenbeschreibungen und Geburtsorte des Syrers Amad A. und des Maliers Amedy G. die unrechtmäßige Inhaftierung vorgenommen haben, wurde folgendes Versagen im Geschäftsbereich des Ministers deutlich:

Obgleich der Innenminister zum Zeitpunkt des Bekanntwerdens der unrechtmäßigen Inhaftierung von Amad A. seine Polizei-Abteilungsleiterin und seinen damaligen Landeskriminaldirektor im Oktober 2018 persönlich die KPB Kleve geschickt hat, worüber er gegenüber dem Parlament berichtet hat, hat das Innenministerium die KPB Siegen-Wittgenstein völlig unbehelligt gelassen und nicht mal eine Organisationsuntersuchung veranlasst. Hier soll es am 04.07.2018 entgegen jeglicher Zuständigkeit und Sinn zu einer Datenbankzusammenführung der ViVA-Datensätze des Syrers Amad A. und des Maliers Amedy G. gekommen sein, was aus Sicht des Ministers der „entscheidende Fehler“ war. Warum das nicht geschehen ist, bleibt bislang weiterhin offen.

Die angeblichen Verbesserungen in Sachen Haftsachenmanagement, die nach Bekanntwerden der unrechtmäßigen Inhaftierung zur Vermeidung ähnlicher Fälle vom Innenministerium ergriffen worden sind, erschöpfen sich im Wesentlichen in der Wiederholung dessen, was zum Zeitpunkt der Inhaftierung am 06.07.2018 bereits galt – aber entgegen aller Vorschriften nicht geschehen ist. So wurde am 04.10.2018 ein sogenannter „Sensibilisierungserlass“ herausgegeben, der lediglich an die bereits seit 2015 geltende Erlasslage erinnert. Im Fall von Amad A. wurden elementare Tätigkeiten wie eine Belehrung und eine Eröffnung der Haftbefehle gar nicht wahrgenommen. Dass technisch nun richtigerweise direkt auf der Startseite von ViVA ein Lichtbild des Gesuchten erscheint, hätte im Fall von Amad A. nichts geändert – wie der Minister selbst einräumen musste. Um die Lichtbilder des Maliers zu sichten, hätten die Beamteninnen und Beamten den Namen des Maliers Amedy G. in INPOL eingeben müssen. Niemand kam aber auf die Idee, den Namen, der auf den Haftbefehlen vermerkt war, überhaupt in das Fahndungssystem einzugeben.

In Sachen Fehleranalyse fällt auf: Die für die Datenqualität zuständige Verbundverfahrenskontrolle des LZPD hat während der Haft von Amad A. am 23.08.2018 den ViVA-Datensatz aufgrund von Fehlermeldungen aus INPOL-Z korrigiert. Das war nötig, weil die Datenbestände im Bundes- und Landesfahndungssystem von Amad A. und dem Malier Amedy G voneinander abwichen. Nach der Korrektur waren die Datenbestände zwar wieder getrennt – allerdings wurde die im Datensatz vermerkte Haft von Amedy G. nicht hinterfragt.

Hierzu erklärt Sven Wolf, stellvertretender Fraktionsvorsitzender und Obmann der SPD-Fraktion im PUA III:

„Es wurde mehr als deutlich, dass nicht nur individuelles Fehlverhalten zur unrechtmäßigen Inhaftierung von Amad A. geführt hat, sondern strukturelle Probleme im Geschäftsbereich des Innenministers. Trotz offensichtlicher Missstände und Warnungen fehlen dem Minister die Ideen und die Lust, jenseits von medienwirksamen Sofortmaßnahmen vorausschauend ähnlichen Fällen vorzubeugen. Das zeigt sich schon an der fehlenden Organisationsuntersuchung der KPB Siegen-Wittgenstein.

Zur Vermeidung eines zukünftigen Daten-Wirrwarrs sollte die Verbundverfahrenskontrolle des LZPD zu einer Stelle ausgebaut werden, welche die Daten nicht nur formal, sondern auch inhaltlich prüft. Dafür ist es nötig, dass es mehr als bisher drei Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter gibt, die die tausenden Datensätze in ViVA pflegen.

Außerdem wurden rein handwerklich elementare Tätigkeiten wie Belehrung und Eröffnung des Haftbefehls gegenüber Amad A. gar nicht vollzogen. Es muss sichergestellt werden, dass der schärfste Eingriff in die Freiheit der Person, den unsere Verfassung kennt, nur dann vollzogen wird, wenn die Schuld des Einzelnen zweifelsfrei feststeht. Wir reichen dem Innenminister die Hand, über unsere Verbesserungsvorschläge zu sprechen.“