In der Sitzung des Parlamentarischen Untersuchungsausschusses „Hochwasserkatastrophe“ (PUA V) wurde am Freitag (11. März 2022) mit Frau Prof. Dr. Annegret Thieken von der Universität Potsdam auch eine Wissenschaftlerin für Naturrisikenforschung als Sachverständige gehört, die im Auftrag des PUA und auf Antrag der SPD-Fraktion ein Gutachten über die Umstände erstellt hat, unter denen die zahlreichen Opfer der Hochwasser ums Leben gekommen sind. Hierzu erklärt Stefan Kämmerling, Obmann der SPD-Fraktion im PUA V:

„Die Vernehmung von Frau Professor Thieken und die Erstellung ihres Gutachtens ist von unschätzbarem Wert für die Aufklärungsarbeit des PUA. Mit diesen Erkenntnissen lassen sich eine Reihe von Empfehlungen ableiten, wie in Zukunft eine solch hohe Zahl an Todesopfern, die wir in dieser Hochwasserkatastrophe zu beklagen haben, vermieden werden kann.

So konnte Frau Professor Thieken u.a. anhand allgemein zugänglicher Daten wie Niederschlagsmengen, Pegelentwicklung von Flüssen, Bodenart und Bodensättigung bei gleichzeitig hohen Geländeneigungen Gebiete ermitteln, in denen die Sturzfluten besonders gefährlich waren und dort auch tatsächlich die meisten Menschen in NRW umgekommen sind. Eines davon ist beispielsweise die Region rund um die Urft, ein Fluss im Kreis Euskirchen, wo 16 Menschen starben. Die Analyse von Frau Professor Thieken hat ergeben, dass die Hochwassergefahrenkarten für diese Gebiete Extremereignisse allerdings nur unzureichend abbildeten und deshalb dringend verbessert werden müssen.

Zudem belege die Tatsache, ,dass von den 25 Personen, die beim Hochwasser 2021 in NRW in einem Gebäude verunglückt sind, sechs vom Ereignis in ihren Wohnungen überrascht wurden‘, dass Warnungen und Evakuierungen nicht optimal funktioniert hätten.

Aus einer Betroffenenbefragung, die das Team von Frau Professor Thieken im Zusammenhang mit dem vorliegenden Gutachten durchgeführt hat, geht darüber hinaus hervor, ,dass in den untersuchten Teilgebieten bis zu 42 % der Befragten angaben, nicht gewarnt worden zu sein‘.

Hier zeigt sich einmal mehr, dass die Landesregierung von ihren Möglichkeiten zu warnen, nicht den dringend notwendigen Gebrauch gemacht hat.

Innen- und Umweltministerium hätten auf Basis der bereits am 12. Juli 2021 vorliegenden Informationen, spätestens aber ab dem 13. Juli, Meteorologen, Hydrologen und Topographen zusammenrufen und mit Boden- und Geländekarten versorgen müssen, um besonders gefährdete Gebiete in der Eifel zu identifizieren und mit einigen Stunden Vorlauf vor dem Eintritt der Katastrophe punktgenau zu warnen und zu evakuieren. Hierzu gab es aber weder die nötige Alarmbereitschaft, noch die dafür erforderliche Infrastruktur in Form eines Krisenstabs, der eine solche Koordinierung hätte vornehmen können.

Jetzt geht es darum, aus den Erkenntnissen von Frau Professor Thieken die notwendigen Konsequenzen zu ziehen. Warnprozesse müssen überarbeitet und in ein funktionierendes Risikokommunikationskonzept integriert werden. Darüber hinaus müssen Hochwassergefahrenkarten fortlaufend aktualisiert und auch die Unterstützung des örtlichen Katastrophenschutzes verbessert werden, um Warnungen auch in entsprechendes Handeln umsetzen zu können. Die Lehren aus dieser dramatischen Hochwasserkatastrophe sind mit dem Gutachten von Frau Professor Thieken nun umfassend dokumentiert.“