Zur aktuellen Studie der Bertelsmann-Stiftung zur Kinderarmut in Deutschland erklärt Dennis Maelzer, kinder- und familienpolitischer Sprecher der SPD-Fraktion im Landtag NRW:

„Kinder, die in Armut aufwachsen, bleiben längere Zeit arm. Um diesen Teufelskreis an vererbter Armut zu durchbrechen, ist eine auf Vorsorge ausgelegte Politik richtig. ‚Ungleiches ungleich behandeln‘ – unter diesem Leitsatz wurde unter der SPD dort besonders viel investiert, wo die Probleme am größten sind, zum Beispiel in Kitas in sozialen Brennpunkten. Schwarz-Gelb setzt statt der gezielten Förderung jedoch auf das Prinzip der Gießkanne. Damit wird man die Folgen von Armut, insbesondere die Benachteiligung bei Bildungschancen, jedoch nicht bekämpfen können.

Die Autoren der Studie „Armutsmuster in Kindheit und Jugend“ ziehen darüber hinaus das richtige Fazit. Um Kinderarmut zu bekämpfen, müssen wir endlich dazu übergehen, Sozialpolitik vom Kind her zu denken. Denn derzeit stellt eine Vielzahl der Instrumente der Familienförderung in Deutschland nicht das Kind bzw. den Jugendlichen in den Fokus der Förderung, sondern ist abhängig von der Lebensform der Eltern, deren Einkommen, und vom Alter des Kindes. Selbst dem Namen nach am Kind orientierte Instrumente wie z.B. die kindesbezogenen Freibeträge im Rahmen der Einkommensteuererklärung, das Kindergeld oder auch der Kinderzuschlag zielen nicht primär auf eine bedarfsorientierte und gezielte Förderung des Kindes ab, sondern berücksichtigen im Wesentlichen die finanzielle Situation der Eltern. Kinder werden in Deutschland je nach Einkommenssituation der Eltern sehr unterschiedlich gefördert: Während Familien, die SGB-II-Leistungen beziehen, faktisch nicht einmal Kindergeld erhalten, weil dieses vollständig angerechnet wird, profitieren Familien mit hohem Einkommen neben dem Kindergeld auch von steuerlichen Kinderfreibeträgen. Darüber bemessen Steuer- und Sozialrecht derzeit das Existenzminimum des Kinders unterschiedlich.

Um Kinderarmut wirksam zu bekämpfen, bedarf es endlich einer Zusammenführung der familienpolitischen Aufwendungen des Familienleistungsausgleichs sowie des Ehegattensplittings zu einem neuen am Kind orientierten System. Zudem ist eine Reform des Leistungsdschungels erforderlich. Entsprechend sollen alle staatlichen Leistungen der Kinderförderung sowie die SGB II-Leistungen für Kinder zu einer Kindergrundsicherung zusammengeführt werden, deren Höhe eine sozio-kulturelle Teilhabe sichert und für die alle Kinder anspruchsberechtigt sind.

Um Kinder- und Familienarmut wirksam zu bekämpfen, muss zudem die partnerschaftliche Aufteilung der Erwerbs- und Fürsorgearbeit zwischen Vätern und Müttern gefördert werden, um die Erwerbsbeteiligung und Einkommenssituation von Müttern durch vollzeitnahe Teilzeitarbeit und existenzsichernde Löhne zu erhöhen und Vätern eine Reduktion der Arbeitszeit zugunsten von Fürsorgearbeit zu erleichtern. Konzepte zum Kampf gegen Kinderarmut hat auch die Enquetekommission zur Zukunft der Familienpolitik in Nordrhein-Westfalen aufgezeigt.

Wir brauchen nun endlich den Mut, auf die erschreckenden Analysen mit einem Systemwechsel in der Familien- und Sozialpolitik zu reagieren, die endlich das Kind in den Fokus der Familien- und Sozialpolitik rückt.