Ein Missstand nach dem nächsten fällt:

Eine große Stele reiht sich an die nächste. Darauf steht in großen Lettern geschrieben, was schief läuft im Gesundheitssystem in Nordrhein-Westfalen. „Fachkräftemangel in der Pflege“, „unterfinanzierte Krankenhäuser“, „2-Klassen-Medizin“, „fehlender Respekt“, Personalmangel“ „Überlastung“, Niedrige Löhne.“ Diese Reihe dramatischer Missstände ließe sich beliebig fortschreiben. Denn diese Beispiele sind nur die ersten, die ins Auge fallen. Auf jeder weiteren Reihe der weißen Stehlen gibt es einen weiteren Einblick in die Abgründe des Gesundheitssystems.

Diese Installation haben wir im November vor dem Düsseldorfer Landtag errichtet. Denn es reicht nicht, Probleme im parlamentarischen Betrieb zu besprechen. Es geht darum, im Gespräch mit den Bürgerinnen und Bürgern Herausforderungen zu benennen und Lösungen anzubieten.

Dass es um Lösungen geht, beweist auch die Installation vor dem Landtag. Denn alle Stelen haben eine gemeinsame Aufschrift. „Weg damit!“ steht drauf – rot und in Großbuchstaben. „Weg damit!“ Um aufzuzeigen wie das funktioniert, stellen Thomas Kutschaty, Lisa-Kristin Kapteinat und unser gesundheitspolitischer Sprecher Josef Neumann die Installation der Öffentlichkeit vor.

Thomas Kutschaty macht deutlich, dass die Summe an Missständen inzwischen zu einer problematischen Gemengelage geführt hat: „Der Zustand des Gesundheitssystems in NRW ist nicht länger hinnehmbar. Denn schon ohne die Belastung durch die Pandemie ist klar: Unser Gesundheitssystem bietet nicht die besten Bedingungen.“ Sowohl auf Seiten der Beschäftigten als auch der Patientinnen und Patienten gilt das. Die Patientinnen und Patienten würden zu „Fallpauschalen“. Das Personal in der Pflege wiederum sei überlastet und unterbezahlt, so Thomas Kutschaty. Der Blick auf wichtige Daten macht deutlich, dass sich die Lage immer weiter verschärft. 2017 waren in Nordrhein-Westfalen knapp 11.000 Vollzeitstellen in der Pflege offen. 2019 waren es schon mehr als doppelt so viele – nämlich mehr als 23.000 Vollzeitstellen. „Wir müssen gegensteuern“, sagt Thomas Kutschaty. „Denn Gesundheit ist unser höchstes Gut.“

„Der Maßstab für ein gutes Gesundheitssystem ist dabei nicht Gewinn-maximierung. Der Maßstab für ein gutes Gesundheitssystem ist eine gesunde Bevölkerung“, sagt Lisa-Kristin Kapteinat. Doch wie soll das gelingen?

Thomas Kutschaty, Lisa-Kristin Kapteinat und Josef Neumann rollen vier große rote Plastikbälle vor die aufgereihten Stehlen. Die Aufschriften der Bälle geben die Antwort. Vier Offensiven für ein gutes Gesundheitssystem sind verteilt auf die vier Bälle notiert. Offensive „Respekt und gute Arbeit“ steht auf dem ersten der Bälle. Auf den anderen sind die Offensiven Gute Gesundheit vor Ort“, „Gleicher Zugang zur Gesundheit für alle“ und „Zukunfts- und krisenfeste Versorgung“ notiert. Es sind die Offensiven, die wir in unserem Leitantrag „Für einen sozialen Neustart in der Gesundheits- und Pflegepolitik“ formuliert haben.

Hinter jeder der Offensiven steckt eine Reihe an Maßnahmen – alle mit dem Ziel, der schieren Masse an Missständen effektiv zu begegnen. Mit der Offensive „Respekt und gute Arbeit“ soll unter anderem die Tarifbindung in der Langzeitpflege gestärkt werden. Auch eine insgesamt bessere Entlohnung und eine Personalbemessung, die am tatsächlichen Personalbedarf orientiert ist, sollen die Arbeit in der Pflege attraktiver machen.

Die Offensive „Gute Gesundheit vor Ort“ bedeutet, den Kahlschlag in der Krankenhauslandschaft in Nordrhein-Westfalen zu verhindern. Stattdessen vorgesehen sind ein Konzept für eine wohnortnahe Versorgung und ein Zukunftsprogramm zur Digitalisierung des Gesundheits- und Pflegebereichs von drei Milliarden Euro.

Die Offensive „Gleicher Zugang zu Gesundheit für alle“ soll dem Ärztemangel in unterversorgten Regionen und benachteiligten Stadtteilen entgegenwirken. „Alle Menschen in NRW verdienen die beste Versorgung unabhängig vom Geldbeutel“, sagt Lisa-Kristin Kapteinat. Die vierte Offensive „Zukunfts- und krisenfeste Versorgung“ bedeutet bessere Prävention. Dafür soll unter anderem das Thema Gesundheit im Lehrplan der Schulen verankert werden. Ebenso sollen die mediale Gesundheits-aufklärung vorangebracht und niederschwellige Gesundheitsangebote geschaffen werden.

Aus diesem Bündel an Maßnahmen soll eine starke Wirkung entstehen. Wie stark – das zeigen Thomas Kutschaty, Lisa-Kristin Kapteinat und Josef Neumann vor dem Landtag. Alle drei haben einen der großen roten Bälle in ihren Händen. Einige Meter vor den großen weißen Stehlen stellen sie sich in einer Reihe auf. Dann kommt der Countdown. „Drei, zwei, eins“. Alle drei stoßen ihren Ball mit voller Wucht von sich weg. Die roten Kugeln nehmen an Geschwindigkeit auf, während sie über den Boden rollen. Dann hat die erste Kugel die Stehlen erreicht. Rums – so knallt sie gegen den ersten Aufsteller, touchiert noch weitere. Die kippen einer nach dem anderen nach hinten über. Und wie beim Domino fallen noch mehr Missstände im Gesundheitssystem zu Boden.

Die anderen Kugeln folgen kaum einen Augenblick später. Sie scheppern in die verbleibenden Stelen. Schon sind alle getroffen. Der beeindruckende Wald der Missstands-Stelen ist abgeräumt. Kreuz und quer liegen sie auf dem Boden. Nun ist der Blick frei auf ein großes Banner. „Maximal Mensch. Statt maximal Gewinn“ steht darauf geschrieben und darunter der Hashtag „#Sozialer Neustart“. „Genau das soll in unserem Gesundheitssystem wieder gelten“, sagt Thomas Kutschaty und verspricht: „Wir kämpfen für eine gute und sichere Versorgung nah am Wohnort – auch auf dem Land, auch in benachteiligten Stadtteilen.“ Denn selbstverständlich sei eine gute Gesundheitsversorgung nicht. „Man muss viel in sie investieren – im Sinne der Beschäftigten und der Patientinnen und Patienten.“

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