Corona-Eltern im Jahr 2020

Ich gehe spazieren und sehe einen Vater mit seinen Kindern. Geduldig erklärt er immer wieder, dass die Beiden bei ihm bleiben müssen, sie eine kleine Insel bilden und um sie nur Wasser ist und sie anderen nicht zu nahe kommen dürfen. Wie oft hat er das wohl schon gesagt? Etwas widerwillig bleiben die Kinder bei ihm. Es ist gegen ihre kindliche Neugier, gegen ihre Natur.

Wie oft habe ich in diesem Jahr an die Zeit mit meinen Kindern gedacht? Oft hieß es, wir haben es ja auch ohne Kita geschafft. Das mag sein, aber wir hatten noch funktionierende Netzwerke. Die gab es zuletzt nicht mehr. Kein Kinderturnen, kein Spielplatz, keine Großeltern.

Eltern waren mit der Betreuung der Kinder und ihrem Job auf sich gestellt. Unvorstellbar in Zeiten von Rechtsanspruch. Schwierig für alle Familienmitglieder und eine Zerreißprobe zu gleich. Ich erinnere mich noch lebhaft an ein Gespräch mit Elternvertretern auf Landes- und Stadtebene. Beide schilderten mir Schönes und Schwieriges. Was sie sich von der Politik wünschen, habe ich sie gefragt.


Cara Graafen kam da schnell auf den Punkt, wirkliche Beteiligung der Eltern – das wäre ihr Wunsch: „Aber es war immer so, dass im Grunde alles vorausgeplant war und uns nur das Ergebnis mitgeteilt wurde. Dabei haben wir schon früh darauf hingewiesen, dass sie mit den Familien sprechen müssen, was genau sie brauchen. Wir wurden nie mit Gewerkschaften oder mit den Spitzenverbänden an einen Tisch geholt. Natürlich dauert es länger, mit verschiedenen Interessensgruppen einen Konsens zu finden. Aber nur, wenn man mal gemeinsam diskutiert, kann man einen Weg finden, der von allen getragen wird.“


Thomas Reißberg erinnert sich an gute und an schlechte Momente daheim. Was er anders machen würde, das kann er klar benennen: „Kämen wir nochmal in so eine Situation, würde ich die schönen Momente anders verteilen und versuchen, einen besseren Rhythmus zu finden – insbesondere für unseren Sohn. Das wäre schon wichtig. Insgesamt muss ich aber sagen, dass es meiner Meinung nach auch eine wichtige Lehre aus dieser Zeit ist, dass man bestimmte Dinge mehr wertschätzt als früher.“


Einig waren sie sich beide, dass zum Schutz der Kinder und für das Recht auf Bildung die Einrichtungen der frühkindlichen Bildung in Krisenzeiten so lange wie möglich offen sein müssen. Im ersten Lockdown war die Kommunikation zwischen Erzieherinnen und Erziehern und den Kindern oft zu kurz gekommen.


Aber das ist ja nur die eine Seite. Bisher haben wir die Kinder noch nicht in den Blick genommen. Ihre Rechte und Bedürfnisse müssen stärker in den Mittelpunkt der politischen Betrachtung kommen. Sie sind nicht bloß Schülerinnen und Schüler, sie sind vor allem Kinder mit eigenen Bedürfnissen. Plötzlich waren sie aber von allem abgeschnitten und isoliert. Der Alltag und die Rituale, das hat vielen Kindern in der Zeit des Shutdowns gefehlt, da bin ich mir sicher. Vor allem aber der Austausch und das Verarbeiten mit ihren Freunden.


Deshalb müssen wir unsere politischen Entscheidungen einer Kinder- und Familientauglichkeitsprüfung unterziehen. Kinder sind eigenständig, wir müssen sie stärker beteiligen und ihnen so zeigen, dass sie und ihre Stimme etwas wert sind. Corona und die Folgen werden uns noch lange begleiten. Welche Langzeitfolgen diese Krise auf Kinder und ihre Familien hat, werden wir noch herausarbeiten müssen.

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